Die Jahrgänge
Die grossen Jahrgänge vom Geisberg: 1921-1924-1937-1947-1949-1964-1967-1971-1975-1976-1983-1985-1988-1989-1990-1995-1996-2002-2005-2007-2008-2010.
Weine mit Lagerpotenzial
Die Sichtweise von Pierre Casamayor, Önologe:
Dieser Wein erscheint im ersten Moment hochmütig mit einer Aromapalette, die erst beim Übergang zum zweiten Teil ihre ganze Grösse entfaltet. Der Wein erweist sich als geradlinig und dank einer Säure kombiniert mit einer beispielhaften Mineralität gespannt wie ein Bogen. Seine dichte und tiefe Materie bietet eine Reichhaltigkeit, die nie träge wird. Der Wein bleibt lange Jahre unverändert und erwirbt eine herrliche charaktervolle Eleganz, ohne seine Jugend von verblüffender Struktur einzubüssen. Er verlängert sich im Laufe der Jahre und entwickelt eine Verbindung zwischen Frucht und Mineralität, die diesen Riesling zu einem der grössten überhaupt macht. Nach Erreichung seiner vollen Komplexität nach fünf Jahren Lagerung kann der Wein 20 bis 30 Jahre lang unverändert bleiben oder seinen Ausdruck sogar noch bereichern.
Jeder sollte sich bei der Schätzung der Lagerzeit seiner Grands Crus, die mit jedem Alter eine neue Facette zum Vorschein bringen, von seinem persönlichen Geschmack leiten lassen:
In ihrer Jugend, bis drei Jahre
Ihre Noten erinnern an weisse Früchte und Zitrusfrüchte, die sowohl in der Nase aus auch beim Auftakt am Gaumen spürbar sind. Die Aromen eingelegter Zitronen und würzige Noten treten bisweilen im Abgang auf.
Die trockenen Weine vom Geisberg sind gespannt und bieten eine fast schneidende Säure.
Bei den Vendanges Tardives oder der Sélection de Grains Nobles bleiben die Frische und die Säure der Weine bemerkenswert. Ihr Restzuckergehalt wird oft unterschätzt. In diesem Stadium sind die Komplexität und Mineralität noch unterschwellig und nur schwer zu beschreiben, ausser durch einen gewissen „Biss“, eine Tiefe, die den "Abgang deutlich verlängert". Der Abgang bietet eine salzige Note und regt die Speichelbildung an.
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Zwischen 4 und 10 JahrenKandierte Früchte, Zitrusfrüchte, Honignoten (selbst für technisch trockene Weine) sind in diesen Weinen sehr häufig spürbar. Je nach Jahrgang entdeckt man ebenfalls Noten von Pfeffer, Kiefern und Bergamotte. Die Abgänge erweisen sich jedoch immer als frisch und gespannt. Mit dieser ersten Reife zeigt sich die stets vorhandene Fruchtigkeit dezenter und weicht nach und nach den sekundären Aromen. Die ganze aromatische Silhouette der Weine gewinnt an Komplexität.
Zwischen 11 und 25 Jahren
In diesem Alter werden die Zitrusfrüchte oft von Kiefernharz, Terpentin und Balsamico-Noten verdrängt. Anflüge von Safran und Menthol kündigen sich an. Die Säure dominiert nach wie vor am Gaumen, aber die Frucht weicht der Mineralität. Sekundäre Aromen, die zu Beginn und in der Mitte des Gaumens stärker spürbar sind, vermischen sich mit den Tertiäraromen im Abgang.
Zwischen 25 und 50 Jahren
In diesem Stadium setzen sich das Raucharoma, der Balsamico, die Minze, der Wachs, der Bienenwachs und die Lakritze durch. Der Gaumen verliert nichts von seiner Dichte, sondern bewahrt eine grosse Spritzigkeit. Die Sekundär- und Tertiäraromen verleihen den Weinen eine seltene Komplexität.
Nach 50 Jahren
Nehmen wir das Beispiel eines Weines des Jahrgangs 1937 aus dem Hause Kientzler: „Er zeichnet sich durch eine tiefe und schillernde altgoldene Farbe aus. Die Nase verströmt Aromen von Akazienhonig, Kiefernharz und Kakao mit Minze und einen sehr edlen Rancio-Ton. Der Gaumen erweist sich als aromatisch, anmutig ausdrucksstark und unvergleichbar komplex; derzeit zieht er sich jedoch zusammen, ohne dass davon seine Ausgewogenheit beeinträchtigt würde. Im langen und gewundenen Abgang erholt sich der Wein wieder. Diese alte Dame hat noch viele schöne Geschichten zu erzählen. Die Ewigkeit in einer Flasche, oder der Beweis, dass der Riesling eine Rebsorte ist, die dem Zahn der Zeit trotzt. “
(Pierre Casamayor, La Revue du Vin de France, Mai 2000).